Real nachgefragt – Die VR-Interviewreihe

vrei-Gründer Timon Liebau im Gespräch.
Bildquelle: Foto von Susanne Einzenberger für Das Biber

 

Wir wollen dem Blog auch ein wenig mehr Leben einhauchen, in dem wir Akteurinnen und Akteure aus der bunten Welt des VR zu Wort kommen lassen. Den Anfang machen zwei Interviews, welche Studierende des Bachelorstudienganges „Film-, TV- und Medienproduktion“ der FH des BFI Wien durchgeführt haben. Sinn und Zweck dabei ist es nicht „Journalismus zu üben“, dies sei hier ausdrücklich erwähnt, sondern vielmehr Personen zu Wort kommen zu lassen und Ihre Motivation zu beleuchten.

Beginnen wollen wir mit Timon Liebau, CEO/CTO bei dem 2015 eröffneten VR-Cafés VREI, der von Izabella Wilinski und Sebastian Krittl interviewt wurde. Das VREI ist ein Café in Wien, das es seinen Gästen ermöglicht die neuesten Virtual Reality Technologien zu testen. Ergänzend zu den Technologien bietet das VREI außerdem eine fachmännische Betreuung der verschiedenen Geräte an. Zusätzlich wird das VR-Equipment für Einsätze auf verschiedenen Events oder Messen vermietet. Timon ist einer der Mitgründer dieser Idee und seit Ende 2015 im Café tätig.

 

Izabella: Was war vor über einem Jahr ausschlaggebend für dich, den Schritt in eine neue Branche zu wagen und ein Virtual-Reality-Café zu eröffnen?

Timon: Geboren wurde die Idee Weihnachten 2014. Durch mein Hobby, das Sim Racing, habe ich ein sehr starkes Interesse für Virtual-Reality-Techniken entwickelt. Beim Sim Racing handelt es sich um virtuelle Rennen die am Computer gefahren werden, ein Hobby mit dem ich mich seit ungefähr 14 Jahren beschäftige. Ich habe in den 80ern und 90ern bereits solche Geräte ausprobiert und war damals auch gleich sehr angetan von diesen Techniken. Leider ist der Hype damals wieder verschwunden, weil die Technik zu dieser Zeit einfach noch nicht bereit dafür war. Als dann vor ein paar Jahren ein neuer VR-Hype ausgelöst wurde, war unser Gedanke in erster Linie darauf gerichtet, einen Ort zu erschaffen, an den Menschen ein guter erster Eindruck von Virtual Reality vermittelt wird. Denn es ist oft sehr schwierig, irgendwo anständige Geräte testen zu können bzw. gleichzeitig eine vernünftige Ber tung zu bekommen. Der Einzelhandel kann sich die Betreuung zu diesen Geräten nicht leisten und ich habe gewusst, dass mir so etwas Spaß macht, auch wenn ich es hundert mal am Tag mache. So kam es, dass ich mich mit meinem Freund Florian, der auch die Finanzierung ermöglicht hat, zusammengesetzt habe und wir diese Idee gemeinsam realisiert haben. Schon Jahre vor der Eröffnung des Cafés, habe ich an einem Konzept für ein öffentliches Angebot von Sim Racing gearbeitet, weshalb ich bezüglich der Einrichtung etc. auch schon einige Ideen hatte. Dass schlussendlich ein Café daraus wurde, hat unter anderem den Grund, dass wir uns vom Spielhallenkonzept distanzieren und das ganze Angebot offener und kreativer gestalten wollten.

 

Izabella: Gab es für dich irgendwelche Vorbilder wie ein VR-Café auszusehen hat?

Timon: Nein. Es gab schon mal so etwas Ähnliches wie ein VR-Café am Schwedenplatz in Wien, so um 1992. Davon habe ich aber selbst erst vor kurzem erfahren. Ich wusste auch, dass es einige Versuche gab Arcade-Spielhallen zu betreiben. Das Café wie es heute aussieht war jedoch voll und ganz e ne selber kreierte Idee. Der Gedanke dahinter war einfach, Virtual Reality für jedermann zugänglich zu machen. Alles rund herum, das Ambiente etc., ist unseren Köpfen entsprungen. Wir waren mit unserer Idee europaweit auch die ersten im 21. Jahrhundert. Wir wussten einfach, dass es aktuell schwierig ist Lizenzen für irgendwelche Spiele zu bekommen, um damit Einnahmen aus dem Spielbetrieb generieren zu können. Somit war für uns schon mal klar, diese Idee in Form eines Gastronomiebetriebs zu verwirklichen. Der Weg hin zum Café war demnach nicht mehr weit, da das Konzept des Cafés doch eines ist, das in Österreich und vor allem in Wien sehr gut funktioniert.

 

Sebastian: Der VR-Bereich entwickelt sich ja rasend schnell. Die Ansprüche der Kunden werden voraussichtlich in 3 Jahren nicht mehr dieselben sein wie heute. Planst du das Angebot des Cafés in Zukunft zu adaptieren bzw. zu verändern und wenn ja, in welche Richtung?

Timon: Ja. Eine unserer ersten Überlegung bei der Eröffnung war, sollte sich die VR-Brille so schnell durchsetzten wie es sich die Industrie wünscht, dass wir uns absichern, indem wir immer die neuesten Geräte im Café haben. Zusätzlich zu der Brille, bieten wir im Café auch den Mehrwert des sozialen Erlebnisses. Des Weiteren haben wir Geräte, wie z.B. speziell angefertigte Simulatoren, die für den privaten Gebrauch einfach viel zu teuer sind. Unser Fokus liegt unter anderem auch darauf, in Zukunft mehrere Simulatoren anzubieten und zu versuchen mit ihnen so viele Sinne wie möglich anzusprechen. Im audiovisuellen Bereich gibt es bereits leistbare Produkte für den privaten Gebrauch, aber alles darüber hinaus würde den Kostenrahmen des privaten Nutzers sprengen. Ich glaube allerdings, dass sich unser aktuelles Konzept noch einige Jahre lang bewähren wird. Es sind zwar bereits viele Geräte am Markt, aber es wird noch etwas Zeit brauchen bis sie sich im Alltag etablieren werden. Dieser Prozess wird sich in den kommenden Jahren schleichend vollziehen. Es kommt dabei nicht darauf an, wie schnell der technische Fortschritt ist, sondern vielmehr wie schnell die breite Masse diesen Fortschritt annimmt.

 

Sebastian: Hat deiner Meinung nach das Medium Film, in Kombination mit VR-Techniken, das Potential eine eigene Kundensparte abseits des Gaming Bereichs zu haben?

Timon: Ja das glaube ich definitiv. Was ich mir wünschen würde, wäre eine eigene Bezeichnung für VR-Filme. Für mich ist Film ein ausgereiftes Medium das bereits funktioniert und auch von der Masse verstanden wird. Wir verstehen es sowohl als Konsument, als auch als Produzent, wie Filme funktionieren. Aus diesem Grund sollte man auch nicht versuchen den klassischen Film zwanghaft in ein anderes Medium hinein zu pressen. „Vrovie“ wäre z.B. ein Begriff für VR-Filme der mir gefallen würde.

 

Sebastian: Gibt es den Begriff „Vrovie“ bereits?

Timon: Nein den gibt es noch nicht (lacht). Ich habe den Ausdruck neulich bei einem Meeting erwähnt und alle waren begeistert davon. Wichtig ist mir dabei, den VR-Film als komplett neues Medium anzusehen. Alte Konzepte in ein neues Medium mitzuführen hat sich im Laufe der Geschichte noch nie als erfolgreich erwiesen. Die meisten Richtlinien des klassischen Films funktionieren im VR-Film einfach nicht. Es gibt beispielsweise keinen Kameramann mehr, da der Filmausschnitt selbst gewählt wird. Weiters muss sich das Storytelling von Grund auf ändern, da man im VR-Film nicht ständig mit Schnitten arbeiten kann. Ich bin der Meinung Virtual Reality hat den Massenmarkt dann erreicht, wenn die Hausfrau zuhause sagt, dass sie eine halbe Stunde am Tag „Reich und Schön“ leben will, anstatt nur zu schauen. Natürlich eignen sich neben Dailysoaps auch viele andere Dinge hervorragend für Virtual Reality, wie z.B. Live Sportübertragungen. Die Art und Weise der Wahrnehmung ist allerdings eine ganz Andere. Aus diesem Grund bin ich auch dafür, dem Ganzen eine völlig neue Bezeichnung zu geben.

 

Sebastian: Was hältst du von der Idee, VR-Filme in Kinos zu zeigen?

Timon: Es gibt ja bereits sogenannte VR-Kinos in Amsterdam oder London. Ich weiß jedoch nicht, ob sich VR-Kinos, wie es sie heute gibt, durchsetzen werden. Es handelt sich dabei meist nur um mehrere Drehsessel in einem Raum, die mit Headset und Brille ausgestattet sind. Man ist während einer Vorführung von der Außenwelt isoliert. In der Zeit, in der ich mir einen Film ansehe, ist es mir aber eigentlich völlig egal in welchem Umfeld ich mich gerade befinde bzw. ob nun meine Freunde neben mir sitzen oder nicht. Bei uns im Café ist das Erlebnis ein etwas anderes, da nicht jeder gleichzeitig das Selbe macht. Nicht selten kommen große Gruppen vorbei und die Leute sehen sich gegenseitig beim Eintauchen in die virtuelle Welt zu. Oft handelt es sich beim Zusehen alleine schon um das halbe Entertainment.

 

Izabella: Wie schätzt du die Zukunft von Virtual Reality ein? Wie werden die Inhalte aussehen und in welchen Bereichen wird sich diese Technik etablieren?

Timon: Inhaltlich ist das sicher schwer vorauszusagen. Klar ist, Schießspiele und Co. funktionieren, das konnte ich hier im Café bereits feststellen. Natürlich wird es auch professionelle Anwendungen geben bzw. gibt es sie schon. Jener Arzt, der demnächst die weltweit erste Kopftransplantation durchführen wird, trainiert beispielsweise schon seit Monaten jeden einzelnen Schnitt in einer VR-Simulation. Trotzdem denke ich, dass sich VR hauptsächlich im Unterhaltungsbereich festsetzen wird. Inhaltlich wird es wohl sehr weit gefächert sein, da im Grunde alles für VR funktioniert, was auch am Monitor funktioniert. Der Vorteil ist jener, dass VR ein sehr viel empathischeres Medium ist. Die Inhalte erreichen den User in einer viel höheren Intensität als z.B. auf dem Monitor.

 

Sebastian: Kam es auch schon vor, dass die Sinne von manchen Besuchern überbeansprucht wurden und es zu Beschwerden, wie z.B. Übelkeit, kam?

Timon: VR ist natürlich physisch weitaus anstrengender als fern zu sehen. Auch wenn die Ereignisse nur virtuell sind, werden sie im Kopf als real wahrgenommen. Es liegt also oftmals nicht an der Brille auf dem Kopf, sondern an der physischen Überanstrengung im Kopf. Bei Games und Content, in denen der Nutzer bewegt wird, schätzt das Gehirn die Bewegung als realistisch ein, der Körper bewegt sich jedoch nicht von der Stelle. Aufgrund dieses Phänomens wird vielen Menschen in einer Achterbahn schwindelig, aber auch im echten Leben. Die Übelkeit ist also nicht auf die VR-Brille zurückzuführen, sondern auf das, was damit erlebt wird. Einzig das Problem der veränderten Optik kann manchmal ein komischen Gefühl auslösen. Nicht jeder Mensch hat z.B. den gleichen Augenabstand, so kommt es beim Aufsetzen einer VR-Brille bei einigen Wenigen zu einer Veränderung ihrer Optik, was auf Dauer unangenehm sein kann. Dabei handelt es sich jedoch um ein rein technischen Problem, das in der Z kunft schon sehr bald gelöst sein wird. Ich habe einmal im Selbstversuch sechs Stunden mit einer VR-Brille verbracht und konnte danach keine Beeinträchtigung meiner Wahrnehmung feststellen. Aus diesem Grund bin ich auch der Meinung, dass 90 Minuten VR-Filme problemlos funktionieren würden, insofern der Benutzer daran gewohnt ist eine VR-Brille zu tragen. Es ist eine reine Gewöhnungssache.

 

Sebastian: Die VR-Welle hat ja mittlerweile auch Österreich erreicht. Einen VR-Hype im Entertainmentbereich gab es schon mal Ende der 80er. Wieso wird deiner Meinung nach der aktuelle Hype um Virtual Reality nicht so schnell wieder vorbei sein?

Timon: Ich bin der Meinung, der aktuelle Hype befindet sich noch unmittelbar am Anfang. Ich merke es sehr stark an den Kundenreaktionen. Obwohl wir so gut wie keine Werbung für das Café machen, ist der Andrang VR-Geräte auszuprobieren enorm groß. Der ganz große Hype wird in 10 Jahren vielleicht vorbei sein, aber es wird trotzdem noch laufend Erneuerungen in diesem Bereich geben. Virtual Reality funktioniert heute so, wie man es sich in den 90er Jahren erhofft hatte. Damals lag es vor allem an zu hohen technischen Herausforderungen, dass das virtuell Erlebte wenig mit der realen Wahrnehmung zu tun hatte. VR-Brillen sind auch heute noch immer unhandlich, pixelig und schwer. In 15 Jahren werden wir wahrscheinlich eine Art Sonnenbrille tragen und jeder wird sie haben wollen.

 

Interviewführung: Izabella Wilinski und Sebastian Krittl
Bildquelle: Foto von Susanne Einzenberger für Das Biber – http://www.dasbiber.at/content/virtual-reality-erobert-wien

 

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